Vor einiger Zeit gab es draußen auf dem Meer eine Insel. Sie lag mitten im wilden Ozean, umspült von mächtigen Wellen, die bei jedem Sturm ein kleines Stück der Insel wegspülten.
Auf der Insel lebten damals die Teddybären und es gab eine große Zahl von ihnen. Große, kleine, gelbe, braune, also sehr viele verschiedene Teddys hatten dort ihre Heimat. Die Bären lebten fast ohne Sorgen schon seit ewigen Zeiten auf Teddland und wären auch alle glücklich gewesen, wenn da nicht ein großes Problem sie beunruhigt, ja sogar bedroht hätte. Und dieses Problem war mit den Jahren immer beängstigender geworden.
Nach jedem Sturm nämlich war Teddland stets ein wenig kleiner und irgendwann, da wurde es auch richtig eng auf der Insel.
Die Teddybären waren ganz verzweifelt und mussten mit jedem Sturm noch ein bisschen näher zusammenrücken. Eines Tages fielen sogar zwei von ihnen ins Wasser.
Nun muss man wissen, dass Teddys zwar schwimmen können, Wasser aber sehr schlecht vertragen. So waren auch die beiden nassen Bären bald krank gewesen. Ganz aufgequollen lagen sie da und an ihren Beinchen wuchsen Schimmelpilze, die ganz langsam die Haut der Kranken aufzufressen drohten.
Als es eines Tages auf der Insel so eng geworden war, dass keiner der Bewohner sich mehr recht bewegen konnte, da waren die Unglücklichen ganz verzweifelt und fingen an, um Hilfe zu rufen.
Das war ziemlich hoffnungslos, denn wer sollte sie auch da draußen auf dem Ozean hören?
Es gibt jedoch gute Feen, die meist in Wäldern leben und sehr gut hören können, ja, über sehr große Stecken noch Hilferufe zu vernehmen im Stande sind.
So kam es denn auch, dass die Aberfee, die im Schwarzwald zuhause ist, eben jene Hilferufe der Teddybären vernahm und sich gleich auf den Weg machte, um zu sehen, ob sie helfen könne.
Man muss aber außerdem wissen, dass es mit der Aberfee eine besondere Bewandtnis hat. Sie kann zwar zaubern, jedoch ist ihr Zauber stets an eine Bedingung geknüpft, und die konnte recht unangenehm sein.
Die Bären nun hätten in ihrer bedrohlichen Situation jede Bedingung angenommen, um nur ihr Leben zu retten.
„Ich kann euch helfen“, sagte die Aberfee, „und euch alle an viele verschiedene Orte auf der Erde zaubern, wo ihr sicher seid, aber…“
sie machte eine Pause und auf ihrer weißen Stirn bildeten sich dicke Sorgenfalten, „aber ihr müsst dafür in Kauf nehmen, dass ihr danach nie wieder ein Wort sprechen könnt und euch nie wieder bewegen könnt, bis ans Ende eures Lebens.“
Die Teddys waren zuerst natürlich entsetzt. Was sollte das für ein Leben sein, immer nur wortlos herumzuliegen und dazusitzen. Es begann ein wildes Getuschel unter den aufgeregten Bären.
Die Fee fügte nach einer Weile hinzu: „Es ist nun einmal so, ein großer Zauber hat auch ein großes „Aber“ zur Folge und der Zauber, den ich für euch bewältigen muss, ist gewaltig.“
Die armen Teddys hatten, wie auch immer, nur die Wahl im Meer zu sterben oder die Bedingung der Aberfee, das große „Aber“, zu akzeptieren. Also waren sie einverstanden und wurden kurz darauf von der Fee in alle Himmelrichtungen auf der Erde verteilt. Die einen landeten im Schaufenster von Spielzeugläden, andere im Bettchen eines Kindes und wieder andere an ganz anderen Orten.
Bald darauf verschwand Teddland bei einem heftigen Sturm gänzlich im Meer und nichts, aber auch gar nichts erinnerte daran, dass da einmal das prächtige Land der Teddybären gewesen war.
Einer der Teddys nun war Bruno. Er war einer der großen Teddys und fast so groß wie ein Kind. Bruno landete in einem riesigen Supermarkt auf einem Tisch zwischen allerhand nutzlosem Zeug, das niemand kaufen wollte. Die Leute werden wohl gedacht haben, „wenn der Teddy zwischen all den nutzlosen Sachen liegt, dann kann es mit ihm wohl auch nicht weit her sein“, und deshalb gingen sie einfach vorbei und beachteten Bruno überhaupt nicht.
So lag der Arme also viele Wochen auf seinem Ramschtisch und konnte weder ein Wort sagen, noch sich auch nur ein winziges Stückchen bewegen.
Nach einiger Zeit wurde der Bär so traurig, dass er sich in manchen Augenblicken lieber den Tod im Meer gewünscht hätte, aber er konnte weder jammern noch traurig dreinblicken. Der Zauber der Aberfee hatte ihn ja völlig unbeweglich und stumm gemacht.
Nun muss man wissen, dass Feen nicht nur sehr gut hören, sondern manchmal sogar Weh- und Hilferufe vernehmen können, die völlig lautlos aus dem verzweifelten Herzen von Unglücklichen kommen.
Die Aberfee im Schwarzwald spürte das Leid des armen Bruno und eilte ein weiteres Mal zu Hilfe.
In der Nacht, als der Supermarkt völlig menschenleer war, stand sie auf einmal vor Bruno auf dem Ramschtisch. Bruno aber konnte seine Freude über den Besuch gar nicht zeigen, da er weder reden noch lächeln konnte.
Die Fee aber erkannte sein Unglück und sprach mit ihrer zarten Feenstimme zu Bruno: „Ich erkenne Dein Leid und ich will Dir ein zweites Mal helfen. Du musst aber wissen, dass auch diesmal eine Bedingung an meinen Zauber geknüpft ist. Wenn ich dir helfe und dich von hier wegzaubere, dann wirst du dein neues Zuhause für den Rest deines Lebens nicht mehr verlassen können.“
Dem zur Verzweiflung gelangweilten Teddybären war jedoch alles Recht, um nur von diesem Tisch und der Nichtbeachtung weg zu kommen und nicht irgendwann womöglich noch im Müll zu landen.
Ein feiner, bunter Funkelregen ging auf Bruno nieder, als die Aberfee ihn nochmals verzauberte. Sonst passierte zunächst nichts und die Fee verschwand.
Am nächsten Tag aber kam ein Mann mit seiner kleinen Tochter vorbei.
Maria hieß die Kleine und sie verliebte sich sofort in den Teddy, der da so einsam zwischen den nutzlosen Sachen lag.
Aber Marias Vater wollte nicht so recht: „Sieh mal, Maria, der Bär ist doch viel zu groß für dich; er ist ja fast so groß wie du! Und du hast doch schon vier Teddys…“
Die kleine Maria ließ sich so Einiges einfallen, um den Vater zu überzeugen, allein, es nutzte wenig und der Papa bleib bei seinem Nein.
Als die beiden aber mit dem Einkaufswagen am Auto standen und der Vater die Sachen in den Kofferraum zu legen begann, da ging das kleine Mädchen zu Äußersten und begann zu weinen. Maria wusste sehr wohl, dass der Vater ihr nichts abschlagen konnte, wenn sie das tat.
Also saß kurz darauf Bruno auf dem Rücksitz des Autos neben der glücklichen Maria im Kindersitz.
Wie die Aberfee hatte Maria auch die Verzweiflung des Bären gespürt und sagte auf den Heimfahrt: „Papa, ich glaube wir haben ihn gerettet.“
„Wie soll er denn heißen“, fragte der Vater, bekam jedoch keine Antwort. Dem Mädchen fiel kein passender Name für das neue Familienmitglied ein.
„Weißt du was?“ meinte der Vater dann plötzlich, „ Bruno! Der Bursche sieht aus, als ob er Bruno heißen müsste.“
Von da an hieß der Teddy also Bruno und kein Mensch wusste, dass das ja sowieso sein Name war.
Die Jahre vergingen und Bruno war glücklich in seinem neuen Zuhause. Das kleine Mädchen war aber groß geworden und so kam denn auch der Tag, an dem Maria die väterliche Wohnung verließ und in eine andere Stadt zog, um an der Universität weiter zu lernen.
Zunächst plante Maria, ihren Bruno, der jede Nacht neben ihr im Bett geschlafen hatte, mit all ihren Sachen mitzunehmen.
Dann aber begann plötzlich der Aberzauber zu wirken und sie änderte ihre Meinung. Ohne zu wissen warum nahm sie Bruno und legte ihn beim Abschied in die Hände ihres Vaters mit den Worten: „Papa, den Bruno lass ich bei dir und du musst mir bitte versprechen, immer gut auf ihn aufzupassen.“
Fortan bekam Bruno im Bett von Marias Vater einen festen Platz und da liegt er wohl noch heute, denn sein neues Zuhause hat er tatsächlich nie verlassen. Feenzauber, muss man wissen, wirkt für immer.