Der Teufel in Weiß

 

Es war wohl ein turbulentes Geschehen gewesen, dessen Inhalt im Traumnebel des Vergessens zurückblieb, als meine Sinne durch jenes trübe Niemandsland des Erwachens in die Realität zurückkamen, wie zumeist im ersten Augenblick ohne Orientierung.

Irgendwie anders als sonst durchdrang dieses „Wo- bin- ich“ die verschwommenen ersten Eindrücke der verschlafenen Augen, nach einem vertrauten Anhaltspunkt forschend und bekam schon bald einen Hauch der  Verzweiflung: Auch die immer klarer werdende Sicht wollte keine Antwort finden.

Das endgültige Erwachen bewirkte schließlich einen schockartigen Zustand, als die entstandene Panik sich in einem ruckartigen Aufrichten entladen wollte.

Wie gesagt, wollte, allein, ich war nicht in der Lage, Arme, Beine oder Kopf auch nur einen Millimeter zu bewegen. Und schlimmer noch: Ich konnte nichts davon auch nur annähernd spüren, von meinen Augen und meinem Mund abgesehen. Es war ein entsetzliches Gefühl, gar nicht mehr zu existieren unterhalb meines Halses, in dem ich den verschluckten Speichel in ein Nichts verschwinden zu spüren meinte.

Ich hörte mich selber atmen, was einerseits sehr beruhigend war, andererseits war es aber auch alarmierend und unheimlich, die Atembewegungen meines Brustkorbes zwar zu sehen, aber nicht zu fühlen.

Die Gedanken rasten durch meinen Kopf und es gelang mir nicht, eine Ordnung hinein zu bringen und auch nur eine einzige klare Überlegung zu erzeugen. Mein Auto – Unfall – Vergessen – Rollstuhl – Schuld… jedes einzelne Wort ein Blitzeinschlag im Chaos dieses Gedankenunwetters in meinem Hirn. Das alles waren nur Momente, denen der Zusammenbruch folgte.

Aus meinen Augen, die blicklos ins Leere starrten, spürte ich Tränen entweichen, die über meine Wangen  rollten. Die Nase begann zu laufen und entsetzlich zu jucken und alles was ich tun konnte, war, die Augen hin-und her zu bewegen.

Erst zu diesem Zeitpunkt realisierte ich, dass ich auch meine Lippen bewegen konnte und meine Zunge. Das nächste war ein vorsichtiges Räuspern, um mich tiefer in die Kehle zu tasten, dann ein Flüstern, das zu einem lauten Rufen anschwoll…

 

Es müssen wohl einige Minuten vergangen sein in deren gefühlter Ewigkeit ich so dalag, mal rufend oder verzweifelt schreiend und dann wieder ganz still, in das Grauen dieses Schicksals ergeben. In diesen Augenblicken schien die absolute Stille auf meinem Kopf geradezu zu lasten und das akustische Nichts hüllte mich bei geschlossenen Augen  in ein zähes Sinnesvakuum, in dem ich zu ertrinken drohte.

In Momenten, in denen es mir gelungen war, meine Gedanken und Emotionen annähernd zu kontrollieren, hatte ich inzwischen begonnen, den Raum, in dem ich mich befand, genau zu betrachten, soweit es das Blickfeld meiner Augen zuließ.

Das Bett, auf dem ich lag, ließ mich vermuten, dass ich in einem Krankenhaus war. Zu meiner rechten Armvene führte ein Plastikschlauch, der in einem pflasterverklebten Venenzugang endete. Den zugehörigen Infusionsbeutel konnte ich nicht sehen, was ihn mir umso unheimlicher anmuten ließ. Wohl aber entdeckte ich den zweiten Schlauch, der unter dem mich bedeckenden Laken hervorkam und den ich als Blasen-Katheter deutete. Die Vorstellung, was unter dem Laken noch alles verborgen sein könnte, vermengte sich mit der traumatischen Erfahrung, meinen Körper sich abbilden zu sehen, aber nichts davon zu empfinden. Eben dieses machte mich schier wahnsinnig.

Im Raum selber konnte ich weder Tür noch Fenster erkennen, nur sterile, weiße Wände, die das gleißend kalte Neonlicht der Röhren an der Decke reflektierten.

In einer Phase der panischen Stille endlich hörte ich eine Tür und Stimmen, was mich in einen Zustand höchster Erregung versetzte. Soweit es ging rollte ich meine Augen zu der Seite, von der die Geräusche kamen.

Nach ein paar Augenblicken tauchten am verschwommenen Rand meines Gesichtsfeldes zwei Gestalten auf, die eine ganz in weiß, wobei Hose und Kittel den Eindruck machten, sie seien gerade aus dem Wäscheschrank genommen worden, völlig glatt und steril das eisige Licht widerstrahlend.

Die andere hingegen war völlig schwarz gekleidet und trug auf dem Kopf einen ebenso schwarzen Hut mit Krempe, unter dem fettig glänzende, schwarze Haare hervorquollen.

Dieser schwarze Mann, geschätzte einsfünfundneunzig hoch, dämpfte meine ersten euphorisch erlösenden Empfindungen auf fast Null herunter. Diese Figur schien mit ihrer dunklen Aura die wenige, aufgestiegene Zuversicht in mir nun wieder restlos zu absorbieren.

Schweigend in meine angstvolle Verwunderung gehüllt, gelang es mir, erst mal abzuwarten.

Die beiden Männer standen eine Weile ohne ein Wort dicht am Bett. Endlich machte der Weiße, in dem ich einen Arzt vermutete, den Mund auf und  meinte: „Er bewegt die Augen, er ist wach.“

Die schwarze Gestalt trat so ans Krankenbett, dass sie mir direkt in die Augen schauen konnte. Ich sah ein hageres, kantiges Gesicht mit einer auffällig spitzen Nase.

Der Blick, mit dem er meine Augen traf, schien in seiner Kälte mit dem Kunstlicht des Raumes zu konkurrieren.

Er beugte sich zu mir herab und stellte mir eine Frage:

„Wo haben Sie die Gliose versteckt?“

Die Stimme war ein rauer Bass, wirkte so kalt wie der Blick und schien keine Höhenunterschiede zu kennen.  Sie glich einer Computerstimme.

Ich holte gerade Luft für meine Antwort, als der Mann seine Frage eine Spur drohender wiederholte:

„Wo haben Sie die Gliose versteckt?!“

Ich versuchte ruhig zu bleiben, was mir unterhalb des Kopfes auch gelang; meine Mimik allerdings muss angstverzerrt gewesen sein und das Sprechen war eher ein Stottern:

„Hören Sie,… ich weiß nicht was Sie meinen. Ich kenne keine Gliose… ich weiß nicht einmal, was das überhaupt ist. Ich…“

Weiter kam ich nicht. Die beiden Figuren wandten sich um und im Hinausgehen hörte ich den Schwarzen sagen: „Erklären Sie ihm seine Situation!“

„Ja, gewiss. Der wird schon reden…“ Verzweifelt rief ich hinterher:

„Moment, Sie können doch nicht einfach gehen! Sie müssen mir sagen wo ich bin und was los ist! Was ist passiert, ich weiß ja nicht mal…“

Die Tür fiel ins Schloss und die Stille begann wieder, mich zu erdrücken. Mit ersterbender Stimme fuhr ich fort: „Ich weiß ja nicht einmal…“ Ich stockte und in meinen Gedanken setzte sich das Drama der Erkenntnis fort: Ich wusste ja nicht einmal, wer ich war!

Erst jetzt dachte ich das alles zu Ende. Ich konnte denken, reden, wusste was ein Krankenhausbett ist… aber ich wusste nicht wer ich war, kannte meinen Namen nicht und hatte keine Ahnung, wo ich herkam.

Tausend Fragen woben sich wie Spinnenfäden um mein Bewusstsein und schienen mich in einen Kokon der Verwirrung wickeln zu wollen, bis auch mein Verstand in Bewegungsunfähigkeit zementiert sein würde.

Noch bevor ich mich mit dieser neuen Erkenntnis und den vagen Anhaltspunkten, die ich nun hatte, auseinandersetzen konnte, tauchte der „Arzt“ wieder auf. Er erschien mir auf einmal nicht mehr so klein, wie eben, neben dem Dunkelmann, als er, eine Faust auf die Hüfte gestützt, begann, auf mich einzureden:

„Es wäre besser, Sie reden und sagen uns, was wir wissen wollen! Sie befinden sich in einem paralysierten Zustand, den wir jederzeit beenden können, vorausgesetzt, Sie erweisen sich kooperativ. Sollten Sie versuchen, uns zu linken oder bis innerhalb von den nächsten zwei Stunden nicht gesagt haben, was wir wissen wollen, dann sind Sie für uns wertlos und wir werden die Dosis erhöhen, was für Sie den Exitus bedeutet. Haben Sie mich verstanden?“

Das war nun gleich geradezu eine Unmenge an Informationen, gemessen am vorherigen Kenntnisstand. Einige erste Steine fielen mir von der Seele. Kein Unfall, kein Rollstuhl…

Als ich bemerkte, dass der Weißkittel schon wieder verschwinden wollte, platzte mir der Kragen:

„Herrgott nochmal, woher soll ich denn wissen was oder wo diese Mimose ist?! Ich weiß ja nicht einmal, wer ich selber bin, noch was ich verdammt nochmal hier tue!“

Ich konnte den Doktor nicht mehr sehen, aber er war noch im Raum:

„Was sagen Sie da? Reden Sie doch keinen Unsinn!“ Er kam eiligen Schrittes zurück zum Krankenbett und fragte aufgebracht:

„Wie heißen Sie?“

„Verdammt, ich sagte Ihnen doch, ich weiß es nicht!“

„Reden Sie doch kein dummes Zeug! Sie haben…“ Er stockte und blickte erschrocken dorthin, wo ich die Infusion vermutete. Dann eilte er um das Bett herum  und machte sich vermutlich am Beutel zu schaffen. Schließlich hetzte er in heller Aufregung aus dem Zimmer.

 

Es verging ein gefühlter Tag, der in der Realität wohl eher eine Stunde war, und ich hatte Zeit, einigermaßen geordnet nachzudenken. Aber es waren immer nur unzählige Fragen, die mir im Kopf umhergingen und für die ich keine Antwort hatte.

Die Wut über mein Ausgeliefertsein wechselte mit dem Gefühl einer entsetzlichen Hilflosigkeit, die mir immer wieder die Tränen in die Augen trieb.

Dann endlich hörte ich die für meinen Zustand Verantwortlichen zurückkommen.

Am Ende meiner Kräfte begann ich zu flehen:

„Bitte lassen Sie mich frei und holen Sie mich aus dieser Lähmung, bitte! Ich tue ja auch alles, was Sie wollen…“

Der Hutträger unterbrach mich:

„ Wo haben Sie die Gliose versteckt?“

„Ich sagte Ihnen doch, ich habe keine Ahnung was Sie mit dieser Gliose meinen!“

„Wo haben Sie die Gliose versteckt?“

„Ich weiß nichts von dieser elenden Gliose! Ich weiß nicht einmal meinen Namen…!“

Mit weit aufgerissenen Augen beobachtete ich, was nun passierte:

Der Schwarze befahl, zur Tür hingewandt:

„Holen Sie das Mädchen!“

Gleich darauf brachte der Doktor ein junges Mädchen herein, vielleicht zwanzig Jahre alt oder noch Teenager. Die junge Frau war mit Klebeband an den Händen gefesselt. Sie schluchzte laut und das Makeup lief in schwarzen Streifen über ihre Wangen.

Sie schien zu erschrecken, als sie mich sah und nach kurzem Innehalten begann sie laut zu rufen:

„Papa, Papa!“ und  „Papa hilf mir, ich…!“ der Rest ging in einem verzweifelten Weinen unter.

Ich konnte gar nicht unterscheiden, ob ich mehr entsetzt oder verwundert war. Das Mädchen jedenfalls war mir völlig unbekannt. Trotzdem tat es mir schrecklich leid. Aber was sollte ich tun in meiner Lage?

Der Weiße zerrte die Gefangene wieder aus dem Zimmer, während der Schwarze sich neben meinem Bett aufbaute. Seine Augen stachen in die meinen und mir war, als spürte ich einen leichten, eisigen Luftzug im Gesicht:

„Wo haben Sie die Gliose versteckt? Sie haben noch…“ erschaute auf eine sehr teuer anmutende, goldene Armbanduhr, „noch fünfundfünfzig Minuten. Und keine Sekunde länger! Und was wir dann mir Ihrer Tochter machen, das brauch ich Ihnen ja wohl nicht zu sagen.“ Dann verschwand auch er.

Meine Gedanken begannen wieder wirr im Kopf umherzuirren:

„Das muss meine Tochter gewesen sein. Aber, wenn ich so nachdenke… Es könnte doch auch sein, dass sie nur meinen Zustand ausnutzen und mir etwas vorspielen, um mich weichzukochen…“ Schließlich kam die Wut wieder hoch:

„Was zum Teufel gibt es an mir schon weichzukochen?!“

Ich kam immer wieder zum gleichen Ergebnis: Mir blieb nichts anderes übrig, als abzuwarten, bis sie das Mädchen, das vielleicht tatsächlich meine Tochter war, und mich umbrachten.

Natürlich hätte ich, um Zeit zu gewinnen, so tun können, als lenkte ich ein und wäre bereit, endlich zu sagen, wo ich diese Trikose versteckt hatte.

Wollte ich also noch ein paar Minuten länger leben, blieb mir letztlich gar nichts Anderes übrig, als zu lügen.

Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken, als das Mädchen plötzlich zu schreien begann. Entsetzliche Schreie der Verzweiflung und des Schmerzes drangen von einem Nebenraum durch die geschlossene Tür an meine Ohren.

„Hallo!“ schrie ich in meiner Not, „hallo, ich sage euch, wo die Likose ist! Hört ihr, ich will reden!“

Die Tür öffnete sich und gleich darauf standen die beiden Peiniger neben meinem Krankenbett.

„Und!“

„Na ja, Sie müssen mich erst ent-… wie sagt man, entlähmen. Ich muss Ihnen das Versteck persönlich zeigen, es ist sehr kompliziert.“

Der vermutete Mediziner wurde sichtbar ungeduldig und ätzte mich an:

„Also doch! – Von wegen Amnesie! An Ihnen ist ein Schauspieler verloren gegangen.“ Der Andere unterbrach ihn:

„Was bitte ist daran kompliziert? Sagen sie endlich, wo die Gliose ist!“

„Das… äh, das würde Ihnen wenig nützen…“ Ich machte eine Pause; ich benötigte dringend Zeit zum Nachdenken und genau die hatte ich nicht.

„Reden Sie endlich!“ brüllte mich der schwarze Mann an.

„Also… es ist so: Die Gri.. äh die Gliose ist in einem Safe und um den zu öffnen brauchen Sie meine Hand. – Äh, … ein Erkennungssystem.“

„Versuchen Sie nicht, uns zu linken! Das Teil würde niemals in einen Tresor passen!“ zweifelte der Arzt und der Schwarze fuhr fort:

„Jetzt passen Sie mal gut auf: Da drüben an der Tür steht einer, der nur wartet, dass er von mir ein Zeichen bekommt. Dann nimmt er den Kopf Ihrer Tochter ganz sacht in seine Hände und bläst ihr mit einem Ruck das Licht aus.“

Er wurde deutlich lauter:

„Und wenn Sie den Knacks, mit dem das Genick Ihrer Tochter bricht, nicht hören wollen, dann sagen Sie endlich die Wahrheit!“

„Ja, ja,… ich meine nein, es ist nicht so ein Safe, es ist eine große Anlage, die wie ein Safe gesichert ist. Man kommt da unmöglich rein ohne Freigabe.“

Ich befand mich in höchster Anspannung und spürte den Schweiß aus meiner Stirn perlen.

Die beiden Bösewichte begannen zu tuscheln und ich konnte nur Gesprächsfetzen verstehen:

„…kann doch nur… – …haben die doch tatsäch… – … das macht Sinn…“

Dann hörte ich noch ein lautes und bestimmtes „Okay“ und sah, wie der Unmensch in Schwarz sich zur Tür umwandte.

„Neiiiin!“ schrie ich in heller Panik und meinte tatsächlich gleich darauf ein leises Knacken gehört zu haben. Ich stürzte in einen seelischen Abgrund und vernahm die Stimme des Arztes nur noch wie aus der Ferne:

„Wir wissen, was wir wissen wollten und keine Sorge, wir werden Ihre Hand dabeihaben. Den Rest von Ihnen und Ihre Tochter brauchen wir nicht mehr.

Er machte sich an der Stelle zu schaffen, an der ich den Infusionsbeutel vermutete.

„Nein! Bitte hören Sie auf! Ich habe Sie belogen, das stimmt doch alles gar nicht!“

Aber der Gaunerdoktor war mit einem lachenden „ja, ja“ schon auf dem Weg nach draußen.

 

Leider weiß ich noch sehr genau, was ich in diesen letzten Augenblicken meines Lebens empfand.

Ich schien resigniert zu haben. In den ersten Sekunden flogen noch Gedankenfetzen durch mein Gehirn, wie: „Das ist das Ende… wird es weh tun… jetzt müsste doch eigentlich mein ganzes Leben an mir vorüberziehen…“

Gleich darauf fiel mir ein: Wie sollte ein Leben an mir vorüberziehen, an das ich mich gar nicht erinnern konnte?!

Gleich danach begann ich, in eine entsetzliche Leere zu versinken. Ein paar restliche Gedanken krochen in Zeitlupe durch den Kopf um sich schließlich in hilflose Starre aufzulösen.

Ich schloss die Augen und es war mir, als ob ich endgültig eine Tür zugemacht hätte, um mich in dieses ungewisse Warten für immer einzusperren. Ich wollte diese weißen Wände nicht mehr sehen, wollte diese schlechte Welt nicht mehr anstarren.

Im gleichen Moment meinte ich den hohen Klang eines Glöckchens zu vernehmen, der in Wellen daherkam und immer lauter wurde. Waren das Klänge aus dem Jenseits? Und wo war das helle Licht am Ende des Weges?

Ganz langsam öffnete ich die Augen wieder. Ich sah nur sehr verschwommen die Umrisse eines Bildes.

Als mein Blick klarer wurde, erkannte ich, was das Bild zeigte: Einen Vogel, der im Begriff war, einen Frosch zu verschlucken, jener aber blockierte  aus dem Schnabel heraus mit festem Griff den Hals des Fressenden.

Nun konnte ich auch die Schrift darunter lesen: „Never give up!“

Kein Zweifel, das war die Kopie eines Witzbildes, das in meinem Schlafzimmer an der Wand am Fußende meines Bettes mit einem Reißnagel befestigt war.

Mit einem Ruck setzte ich mich im Bett auf und brachte den Piepswecker zum Schweigen. Die ganze Horrorgeschichte lief noch einmal in meinem Gehirn ab und brannte sich ins Gedächtnis und ich fragte mich, was der Fels, der mir da von der Seele glitt, wohl gewogen haben mag.

In der Küche traf ich meine Tochter, die ein Frühstück vorbereitete und sie war nicht das gepeinigte und ermordete Mädchen aus dem Alptraum.

Ich umarmte sie ganz fest und versuchte die Tränen in meinen Augen zu verbergen, als ich sagte:

„Guten Morgen, mein Schatz.“

„Hey, was geht denn hier ab?!“ meinte sie grinsend.

Ich setzte mich auf einen der Küchenstühle und dachte nur: „Wenn die wüsste…“

„Nee komm, jetzt sitz hier nicht rum und geh ins Bad. Das Frühstück ist gleich fertig!“

Auf dem Weg ins Bad sah ich im Flur den Befundbericht von der Augenklinik, in der ich am Tag zuvor gewesen war.

Irgendwie abwesend las ich zum wiederholten Mal die Diagnose: „Milde, periretinale Gliose…“

„Na also“, murmelte ich vor mich hin, „da ist sie ja…“

 

 

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