Herr Bär erzählt

 

Also, zuerst möchte ich mich mal vorstellen: Ich heiße Bär, Teddy-Bär, gern berührt, aber nicht geschüttelt. Unter uns – das hab ich in dem kleinen Fernseher neben dem Bett mal gesehen…

Ja, also, um mich auf das Wesentliche zu beschränken, ich bin der Besitzer, Betreiber und Manager dieses Bettes in einer Person. Da gibt es noch einige meiner Untergebenen, ebenfalls vom Stamme Plüsch, aber die sind bei dem, was ich euch heute erzählen will, nicht so wichtig. Oh, da habe ich etliche kommen und gehen sehen in der langen Zeit, seit ich dieses Bett übernommen habe. Erst neulich, die beiden Diddl-Mäuse. Waren ja nicht so mein Fall. Allein diese Farben haben mir die Holzwolle im Bauch umgedreht, ja und eines Tages sind sie verschwunden und keiner hat sie seitdem wieder gesehen. Oder dieses Nilpferd, so fett, dass es schier aus den Nähten platzte und dann nahm es unverschämt viel Platz weg auf dem Bett hier. Na ja, auch diese Presswurst ist schon lange nicht mehr da. Aber ich bin vom Thema abgekommen: damals, als ich das Bett übernommen habe, gehörte dazu auch schon ein kleines Mädchen, das inzwischen zu einem stattlichen Teenager von sechzehn Jahren herangewachsen ist. Und genau von der Kleinen möchte ich heute was erzählen.

Ich hatte mich im Laufe der Jahre ja schon an einiges gewöhnen müssen bei der Entwicklung vom süßen Mädchen zur jungen Dame. Nachdem die Barbies eine nach der anderen verschwunden waren, begann man, sich selbst ständig zu kämmen und an- und auszuziehen. Dann, dieses Räkeln vor dem Spiegel dort, manchmal sogar ohne Kleider. Iiiiiiiih…, Menschen sehen schrecklich aus, ohne Kleider. Na ja, es kommt noch besser. eines Tages nämlich tauchte ein junger Kerl auf, ein schrecklich dünner Hering. Wir Bären sind ja eher etwas rundlich, was ja auch viel besser aussieht, oder sexy, oder wie man dazu sagt. Der jedenfalls, setzte sich auf mein Bett, ohne zu fragen oder mich überhaupt anzuschauen. Unglaubliche Sitten bei diesen jungen Leuten heutzutage! Zuerst haben die beiden nur Musik gehört, manchmal, wenn die Großen nicht da waren, sogar sehr laut. Ja und Filme geschaut. Immer öfter ist er aufgetaucht, dieser Dünnmann und irgendwann fing das an mit dem Herumtatschen und Fummeln. Und die Kleine hat sich das alles gefallen lassen! Und ich dachte immer, geschmust wird nur mit mir…

Nun gut, ich bin kein schlechter Verlierer, doch was dann geschah, das hat mich doch sehr befremdet: die beiden legten ihre Münder aufeinander und, na ja, ich weiß auch nicht, es sah aus, als ob sie kauen oder so. Ich hab eine Weile gebraucht, dann hab ich’s verstanden. Die beiden haben sich Nahrung zuge.., wie soll ich sagen, zugekaut. So etwas hatte ich bei Menschen noch nie gesehen. Bei Vögeln wohl. Durch das linke Fenster, neben dem Spiegel, da kann ich einen Baum sehen, wenn sie mich zufällig richtig hinsetzt. Dort gibt es jedes Jahr ein Vogelnest, und da schau ich manchmal zu. Die Vogeleltern machen das auch mit ihren Küken. Sie kommen mit einem Würmchen angeflogen und packen es in den Schnabel von einem Kleinen. Ich hab aber nach wie vor keine Ahnung, was ich davon halten soll, wenn meine Kleine das mit dem komischen Typ macht. Aber, es kommt noch besser: vor ein paar Tagen, die Großen waren nicht da, das hab ich an der lauten Musik gemerkt, da wurde die Schmuserei immer heftiger. Die beiden tobten auf dem Bett herum und fingen plötzlich an, wie wild an ihren Kleidern zu fummeln. Irgendein Hemdchen, glaube ich, von der Kleinen ist dann auf mich draufgeflogen, ja und das war’s dann. Ich hab nichts mehr gesehen, eine ganze Weile, bis einer von den beiden mir wohl unabsichtlich das Hemdchen wieder vom Kopf riss. Und da sah ich die Bescherung: er lag auf ihr, man stelle sich vor, und beide ohne Kleider! Ich hab ja schon angedeutet, dass Menschen ohne Kleider schrecklich aussehen. Wir Bären hingegen sind vorzugsweise unbekleidet. Kein noch so tolles Designerkleid kann mit unserem Pelz an Eleganz und Schönheit mithalten. Und genau das ist das Problem bei den Menschen, die Behaarung. Außer am Kopf ein paar lächerliche Fleckchen an unmöglichen Stellen… Schrecklich jedenfalls, wie nasse Katzen, oder so. Wobei ich zugeben muss, dass der Kerl immerhin an verschiedenen Stellen, wie an den Beinen, Armen und im Gesicht zumindest die Anfänge eines Pelzes aufweist: ein paar dünne, spärliche Haare oder Stoppeln. Für mich ist das ein klares Indiz dafür, dass wir Bären von den Menschen abstammen. Der Mensch ist sozusagen eine bärige Vorstufe der Entwicklung, oder so… Nun gut, zurück zum Geschehen: Ich konnte in meiner Lage, die sich in dem Durcheinander ergeben hatte, nicht mehr so gut sehen, was genau geschah. Jedenfalls fütterten sie sich immer heftiger von Mund zu Mund. Ich dachte noch, wer füttert hier eigentlich wen, und irgendwann müssen die beiden doch satt sein. Der Dünne kann ja schon einiges vertragen. Oder geht das immer hin und her? Na dann, guten Appetit!

Dann begannen sie, miteinander zu balgen oder ringen, oder so. Zuerst dachte ich, er tut ihr weh oder er versucht sie umzubringen, den Geräuschen nach zu urteilen. Als sie wieder ruhiger wurden, fingen sie dann plötzlich erneut an zu schmusen und sagten sich Dinge, wie „ich hab dich lieb“, und so. Ich geb’s ja zu, ich war ein bisschen eifersüchtig. Eins aber muss ich sagen: hätte ich gekonnt, ich hätte stundenlang den Kopf geschüttelt ob dieses Theaters. Wenn das so weitergeht, dann schnür ich mein Bündel und wandere aus. Dann kann die Kleine gucken, wer ihr Bett managt. Wir Bären jedenfalls, und ich glaube, ich spreche da für alle Plüschs, wir tun so etwas nicht…

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